In Gedanken auf der Bühne.
Magazin14.04.2022Manuel Huber
Oski Langensand macht jede Zugfahrt zur Theaterprobe. Er denkt sich in Figuren und lernt Dialoge auswendig. Das führt hin und wieder zu kuriosen Szenen.
Figur, die er im nächsten Stück spielt. Darin wird er zu Harri Hammer, einem Volksmusik-Star im mittleren Alter mit einer «Züri-Schnurre». Das verlangt von Langensand mit seinem sanften Obwaldner Dialekt einiges ab. «Ich schaute mir YouTube-Videos an, in denen Züritütsch gesprochen wird, und begann die Sätze nachzusprechen.» Mit Erfolg. Den selbstgefälligen Zürcher kauft man ihm sofort ab, sobald er in Harris Haut schlüpft. Langensand wäre bereit gewesen. Doch dann kam Corona.
Vom Bauern zum Nationalrat
Oski Langensand setzt sich bei einem neuen Stück immer zuerst mit der Figur auseinander. «Bei Harri Hammer musste ich die Rolle etwas suchen. Bei Respekts- und Amtspersonen fällt mir das deutlich leichter.» Daher sind es auch seine bevorzugten Rollen. So spielte der gebürtige Alpnacher bereits mehrere Gemeindepräsidenten, einen Generaldirektor oder einen Nationalrat. «Doch es sind die Gegensätze, die es spannend machen. So durfte ich auch schon einen Taglöhner oder einen armen Bauern spielen.»
Mit Kopfhörer auswendig lernen
Seine Figuren lernt er im Zug kennen. Als Pendler zwischen seinem Wohnort Alpnach und dem Büro auf der Luzerner Allmend. Langensand studiert erst das Drehbuch und lernt dann seinen Text auswendig. «Dafür nehme ich zu Hause die ganzen Dialoge mit dem Smartphone auf und höre sie mir im Zug an.» In einem zweiten Schritt nimmt er nur noch den Text der anderen Figuren auf und lässt seinen Text weg. «Im Zug setze ich die Kopfhörer auf und höre mir die Aufnahmen mit den Lücken an. Ich fülle sie gedanklich mit dem Text, den ich auswendig gelernt habe.» Das führt hin und wieder dazu, dass er die Aufmerksamkeit im Zug auf sich zieht. «Wenn ich den Text mit Kopfhörer abhöre, muss ich aufpassen, dass ich den Text nicht laut nachspreche.» Das gelingt nicht immer.
«Auch schon habe ich mich kurz in die Rolle versetzt, mich aufgeregt und es erst gemerkt, als mich die anderen Fahrgäste gross angeschaut haben.»
Zugfahren inspiriert
Seine Faszination fürs Theater entdeckte der 54-Jährige bereits als Kind. Erste Erfahrungen machte er im Schülertheater, bevor er 1988 zum ersten Mal mit der Theatergruppe der Trachtengruppe Alpnach auf der Bühne stand. «Es ist faszinierend, andere Charaktertypen als man selbst anzunehmen und zusammen mit weiteren Figuren eine Geschichte zu spielen. Es ist ein Eintauchen in eine andere Welt, ein Abschalten vom Alltag.» Inzwischen spielte er in 22 Stücken des Theaters Alpnach mit und hat auch schon selber ein Theaterstück geschrieben. Seine Komödie «Vorab nä!» wurde 2019 im renommierten Theaterverlag ELGG herausgegeben. Geschrieben hat Oski Langensand das Stück grösstenteils in der Zentralbahn. «Mir gefallen die Atmosphäre und die spezielle Stimmung im Zug. Man bewegt sich vorwärts, muss aber nicht auf den Verkehr achten, kann einfach sein.» Ob einen Text auswendig lernen oder Stücke schreiben – für beides seien die kurzen Zugfahrten zwischen Alpnach Dorf und Messe /Allmend ideal. «In 20 Minuten liegt mehr drin, als man denkt», sagt Oski Langensand.
Dann kam Corona
Harri Hammer wäre bereit. Er, der selbstverliebte Volksmusik-Star, ist immer bereit. Doch dann kam Corona. Vier Tage vor der Premiere sagte die Theatertruppe alle Spieldaten vorsorglich ab, kurz danach kam der Lockdown. «Das war sehr emotional.» Nun soll das Stück im März 2021 auf die Bühne kommen. Also zurück auf Feld 1? Nicht nötig, sagt Oski Langensand: «Wir können auf dem Bisherigen aufbauen. Es braucht weniger Proben, weil die Szenen bereits stehen.» Als Harri Hammer hat er in diesem Stück 180 Einsätze. Den Text dafür hatte er zwar intus, aber in einem halben Jahr geht vieles vergessen. Also nochmals: Ein paar YouTube-Videos mit Zürchern zum Aufwärmen anschauen und unterwegs im Zug den Text auffrischen. Es kann also durchaus sein, dass man als Fahrgast von Oski Langensand mit Kopfhörer überrascht wird, der in spitzem Züritütsch etwas zu laut sagt: «Harri Hammer isch myyn Name – syy känned mich doch sicher us em Fernsee!»
Das Theater Alpnach
Das Theater Alpnach zeigt das Stück «Nid ganz hundert?!» ab März 2021. Oski Langensand spielt darin den Volksmusik-Star Harri Hammer. Seine Leidenschaft fürs Theater entdeckte der 54-Jährige bereits in der Schule und steht mit der Theatergruppe der Trachtengruppe Alpnach seit über 30 Jahren auf der Bühne. Oski Langensand wohnt mit seiner Familie in Alpnach und arbeitet als Portfoliomanager Immobilien beim Eidgenössischen Departement für Verteidigung, Bevölkerungsschutz und Sport VBS.
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